Der Kalifornische Schweinswal (Vaquita) und der Wolf: Zwei Mal ein Fall für den Artenschutz, doch mit sehr unterschiedlichen Reaktionen. Nicolas Entrup betrachtet diese Widersprüche im folgenden Beitrag, der am 19.7.2017 auf derstandard.at veröffentlicht wurde.

Hunderttausende Menschen aus aller Welt haben sie unterzeichnet, die Forderung an die mexikanische Regierung, die Kiemennetzfischerei im Golf von Kalifornien zu verbieten. Allen voran Leonardo DiCaprio, Schauspieler und Artenschützer. Diese Netze werden unter anderem beim Fang der bereits bedrohten, aber in China wegen ihrer Schwimmblase sehr begehrten Totoaba-Fische eingesetzt, damit jedoch der vom Aussterben bedrohten kleinsten Walart – dem Vaquita – zum Verhängnis. Die mexikanische Regierung gab den Protesten nach und verhängte das Verbot – gegen den Widerstand der Fischer.

Doch ob die Maßnahme wirksam sein wird, bleibt zu bezweifeln. Seit mehr als zwei Jahrzehnten warnen Wissenschaftler davor, dass wir den Vaquita verlieren. Der Verlust einer Art bedeutet auch eine weitere Störung des natürlichen Gleichgewichts des marinen Ökosystems. Daher wurden dutzende Millionen US-Dollar für Forschungsprojekte und die Entwicklung von Vaquita-Schutzmaßnahmen sowie als Entschädigungszahlungen für lokale Fischer bereitgestellt. Der Vaquita-Bestand nahm jedoch weiterhin bedrohlich ab, und die heute weniger als 50 verbliebenen reproduktionsfähigen Tiere sind kein Anlass für Optimismus. Der Preis für das Zuwarten und den mangelnden Vollzug von Artenschutzmaßnahmen könnte nun sehr hoch sein – zu hoch, indem der Vaquita innerhalb weniger Jahre dem chinesischen Flussdelfin, Baiji, als ausgerottete Art nachfolgt und künftige Generationen nie die Chance haben werden, diese wunderbaren Tiere zu sehen und zu verstehen.

In diesem Fall zeigt sich die Öffentlichkeit emotional betroffen, was sich auch in globaler Berichterstattung auswirkte. Und zu Recht. Doch dieser Tage werden wir Zeugen einer Diskussion, die Ähnlichkeiten damit aufweist, jedoch anders geführt wird. Der Wolf, in Teilen Zentral- und Westeuropas im 19. Jahrhundert nahezu ausgerottet, vom Aussterben bedroht und durch sämtliche Instrumente des europäischen Artenschutzes streng geschützt, kommt zurück. Und zwar auch nach Österreich. Gab es über die Jahre hinweg Meldungen von drei bis fünf Wölfen, die sich Österreich als neue, alte Heimat gesucht haben, so wurde nun zum zweiten Mal Nachwuchs dokumentiert. Ein Wolfsrudel hat sich gebildet. Elf Tiere, falls alle Jungtiere überleben. Man könnte glauben, dass Jubelstürme losbrechen, Artenschutzmaßnahmen als erfolgreich bewertet werden und sorgsam bedacht wird, wie man den im 19. Jahrhundert in Österreich ausgerotteten Wolf wieder heimisch werden lässt. Doch man staune: Aussagen wie „Die Ostalpen müssen wolffrei bleiben“, „Ende der Weidehaltung in Österreich“ und „Ende der kleinstrukturierten Landwirtschaft“ sind zu lesen.

Manch einer erwartet von der österreichischen Regierung gar, sich auf EU-Ebene für eine Änderung der EU-Habitatsrichtlinie einzusetzen, die vom Aussterben bedrohte Arten streng unter Schutz stellt und deren Tötung oder Störung verbietet. Der Wolf habe keinen Platz darin, reiße dieser doch Wild oder auch Nutztiere, vor allem Schafe, und richte somit Schaden an. Eine Erfolgsgeschichte Dass die Rückkehr des Wolfs enge Kooperation erfordert und die Entwicklung von Managementplänen, die längst erprobt in anderen Ländern angewandt werden, ist weder neu noch überraschend, sondern eine Selbstverständlichkeit. Gleiches gilt für Entschädigungsmaßnahmen für Landwirte. Doch wir dürfen nicht den Blick auf das Wesentliche vergessen: Die Rückkehr des Wolfs ist eine Erfolgsstory. Eine Erfolgsstory, die dem Vaquita leider verwehrt bleiben könnte.

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