Artenschutzorganisationen fordern von EU Widerstand gegen Walfang in europäischen Gewässern

Wien/Wädenswil/München, 04. April 2018: Am 1. April begann die alljährliche Walfangsaison im Nordatlantik und bereits wurde der erste Wal getötet. Die Regierungen Islands und Norwegens ignorieren das internationale Walfangverbot schlichtweg und genehmigen weiterhin die Jagd auf Zwergwale und sogar stark gefährdete Finnwale. Wale stehen international unter strengem Schutz, die kommerzielle Jagd ist verboten. Deshalb fordern OceanCare, Pro Wildlife und Whale and Dolphin Conservation (WDC) eine führende Rolle der EU im Kampf gegen den kommerziellen Walfang, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Walfangtagung im Herbst 2018.

Norwegens Regierung gab für die nun beginnende Walfangsaison statt 999 sogar 1.278 Zwergwale zum Abschuss frei. Paradox, wurden doch im Vorjahr mit 432 Tieren so wenige Zwergwale getötet wie seit 20 Jahren nicht mehr. Auch waren mit nur elf Walfangbooten knapp halb so viele Boote beteiligt wie im Jahr zuvor. „Dass die steigenden Quoten sinkenden Fangzahlen und einer schwindenden Nachfrage gegenüberstehen, ist klares Indiz dafür, dass der norwegische Walfang nur aus politischen Gründen aufrechterhalten wird“, sagt Nicolas Entrup von OceanCare.

Irreführende Berechnung von Fangquoten

Die Regierung behauptet, die Fangquoten würden den Berechnungsgrundlagen des Wissenschaftsausschusses der Internationalen Walfangkommission (IWC) entsprechen. Weit gefehlt:

“Norwegen schraubt eigenmächtig an den seitens der IWC festgelegten Variablen, sodass anstelle von 300 Zwergwalen im Nordostatlantik plötzlich 1.278 Wale als nachhaltige Fangquote gelten sollen“, so Entrup. „Führende Wissenschaftler stufen die eigenmächtigen Quoten von Norwegen – und übrigens auch die von Island – als nicht nachhaltig ein. Der kommerzielle Walfang ist grausam, nicht notwendig und nicht nachhaltig. Das weltweite Verbot muss endlich umgesetzt werden!“ fordert Entrup. Der norwegische Walfang steht seit 2016 vermehrt in der Kritik – auch dank des Berichts Frozen in Time von OceanCare, Pro Wildlife und dem Animal Welfare Institute, der zeigte, wie das moderne Norwegen an seiner Vergangenheit hängt und das IWC-Walfangverbot unterwandert. Der Bericht wurde den Delegierten auf der vergangenen IWC-Tagung 2016 vorgestellt.

Islands Walfang am Wendepunkt?

Auch in Island klaffen Quote und tatsächlicher Fang weit auseinander: Fischer dürfen 2018 bis zu 209 Zwergwale töten, tatsächlich waren es in den vergangenen beiden Jahren nur 46 beziehungsweise 17 Tiere. „Die Isländer selbst essen kaum noch Walfleisch, derzeit sind vor allem Touristen die Abnehmer. Sie wollen Walfleisch probieren und ignorieren dabei, dass sie hierdurch die Jagd auf Zwergwale finanzieren“, so Dr. Sandra Altherr von Pro Wildlife. Zudem gibt Island als einziges Land der Welt die Jagd auf die bedrohten Finnwale frei: Der einflussreiche Millionär Kristjan Loftsson darf auch 2018 bis zu 154 Finnwale töten – jedoch verzichtete er in den vergangenen zwei Jahren auf die Jagd, weil die erhofften Exporte von Finnwalfleisch nach Japan stockten. Die neue Regierung muss schon bald entscheiden, ob sie auch künftig wieder Quoten erteilt: „Gerade jetzt wäre Druck der Europäischen Union besonders wichtig, damit die Jagd auf Finnwale endet“, betont Altherr.

EU in der Pflicht
Seit Bestehen des Walfangverbotes fielen im Nordostatlantik circa 15.000 Wale explosiven Harpunen zum Opfer. Es verwundert, dass angesichts dieses Ausmaßes der Bejagung „kommerzieller Walfang“ nicht einmal mehr ein eigener Agenda-Punkt der Internationalen Walfangkommission ist. Zuletzt kritisierten die IWC-Länder den kommerziellen Walfang offiziell im Jahr 2001. Dieses Schweigen der IWC nutzen Island und Norwegen als Argument, ihre Jagd sei akzeptiert.

Aufgrund des Berichts Frozen in Time wurde zumindest das EU-Parlament aktiv. In einer scharfen Resolution forderte es Norwegen im September 2017 auf, den Walfang endlich einzustellen. Nun erhoffen sich die Walschützer, dass die Europäische Union auf der nächsten IWC-Tagung den Worten auch Taten folgen lässt.

„Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dürfen den kommerziellen Walfang in europäischen Gewässern nicht länger tolerieren. Wir erwarten konkrete politische und diplomatische Schritte gegenüber Island und Norwegen“, sagt Astrid Fuchs von WDC abschließend. Die nächste Walfangtagung findet vom 10. bis 14. September in Brasilien statt.

Hintergrund

In den achtziger Jahren hat die IWC ein Fangverbot für 13 Großwalarten verhängt. Während Japan unter dem Deckmantel der Wissenschaft jagt, hat Norwegen gegen das Moratorium zum Schutz der Wale formellen Einspruch erhoben und ist damit nicht an das Fangverbot gebunden. Die Jagd auf Wale in norwegischen Hoheitsgewässern ist einheimischen Fischern deshalb erlaubt, ebenso der bilaterale Walfleisch-Handel mit Japan. Wie in Island setzt auch das norwegische Fischereiministerium die Fangquoten jährlich selbst fest und ignoriert dabei die Vorgaben der IWC.

Abschuss von trächtigen Weibchen

2017 berichtete eine norwegische Reportage über die besondere Grausamkeit der Jagd. Oft werden schwangere Weibchen harpuniert, was ein enormes Tier- und Artenschutzproblem bedeutet. Während die Reportage damals von 90 Prozent Weibchen sprach, von denen fast alle trächtig seien, zeigen aktuelle Berechnungen für die Jahre 2000-2015, dass im Durchschnitt knapp 70 Prozent der gejagten Wale Weibchen sind, 42.5 Prozent von ihnen trächtig; somit bleibt dies ein signifikantes Artenschutzproblem.

 

Medienkontakte

Nicolas Entrup, Konsulent für OceanCare: M: (+43) 660 211 9963, nentrup@oceancare.org
Sandra Altherr, Biologin bei Pro Wildlife: M: (+49) 174 217 5054, sandra.altherr@prowildlife.de
Astrid Fuchs, Progammleiterin bei WDC, M: (+49) 176 992 4414, astrid.fuchs@whales.org

Bilder und Bildkommentare

  • Zwergwale werden an Bord zerlegt ©Michael Tenten/IMMCS
  • Harpunierter Zwergwal wird an Bord gezogen ©Michael Tenten/IMMCS
  • Walfänger zerlegen Zwergwal und schneiden die äußere Fettschicht ab ©Michael Tenten/IMMCS

Weiterführende Links und Informationen:

  • Bericht: Frozen in Time: How modern Norway clings to its whaling past (2016) von OceanCare, Pro Wildlife und Animal Welfare Institute
  • Informationen über den norwegischen Walfang, das Walfangverbot und die IWC: https://www.oceancare.org/de/unsere-arbeit/tierschutz/wale/walfang/
  • Infografik: „Norwegischer Walfang ist nicht nachhaltig“. Gegenüberstellung der selbstauferlegten Quoten, Fangzahlen und die seitens der IWC festgelegten Variable („RMP Quota“) für die Jahre 1993 bis 2018.
  • Weitere Grafiken und Statistiken auf Anfrage vorhanden

OceanCare

Seit 1989 setzt sich OceanCare weltweit für die Meeressäuger und Ozeane ein. Mit Forschungs- und Schutzprojekten, Umweltbildungskampagnen sowie dem Einsatz in internationalen Gremien unternimmt die Organisation konkrete Schritte zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Weltmeeren. Im Juli 2011 erhielt die Organisation von den Vereinten Nationen den UN-Sonderberaterstatus zugesprochen. www.oceancare.org

Pro Wildlife

Pro Wildlife ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Deutschland, die sich global für den Schutz von Wildtieren und ihrer Lebensräume einsetzt. Weltweit unterstützt Pro Wildlife Artenschutzprojekte vor Ort und leistet Aufklärungsarbeit, um Wildtierhandel und Wilderei einzudämmen. Pro Wildlife nimmt an Konferenzen wie der Internationalen Walfangkommission (IWC) und dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) teil, um den Schutzstatus von Wildtieren weltweit zu verbessern. www.prowildlife.de

WDC

WDC, Whale and Dolphin Conservation, ist die weltweit führende gemein­nützige Organi­sation, die sich ausschließlich dem Schutz von Walen und Delfinen widmet. Gegründet 1987 in Großbritannien sind wir seit 1999 mit einem Büro in Deutschland vertreten. Weitere Büros befinden sich in Argentinien, den USA und in Australien. Im Rahmen von Kampagnen, politischer Überzeugungsarbeit, Bildung, Beratung, Forschung, Rettungs- und Schutzprojekten verteidigen wir Wale und Delfine gegen die zahlreichen Gefahren, denen sie heute ausgesetzt sind. WDC-WissenschaftlerInnen arbeiten in nationalen, europäischen und internationalen Arbeitsgruppen, sind in allen relevanten internationalen Foren vertreten und haben direkten Einfluss auf maßgebliche Entscheidungen zur Zukunft von Walen und Delfinen. Wir sind AnsprechpartnerInnen für EntscheidungsträgerInnen, Medien und Öffentlichkeit. WDC ist eine als gemeinnützig anerkannte Körperschaft. Wir arbeiten politisch unabhängig und finanzieren uns über Spenden und Stiftungsmittel.